Zum Inhalt springen

Zur aktuellen Debatte zum Asylrecht haben wir folgende Fragen (Öffentliche Anfrage Nr. 7/24 zum nächsten Ausschuss für Soziales und Integration)

  • von

Vorwort: Zur aktuellen Debatte zum Asylrecht haben wir folgende Fragen:

  1. Wie viele Asylbewerber/-innen wurden in den Jahren 2019 bis heute anerkannt, abgelehnt, abgeschoben oder sind nachweislich freiwillig ausgereist (bitte zusätzlich nach Jahren und Nationalitäten aufschlüsseln)?
  2. Wie viele Ausländer im Landkreis Gifhorn sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt vollziehbar ausreisepflichtig und wie viele besitzen davon eine Duldung und aus welchem Grund?
  3. Wie oft wurde in den Jahren 2019 bis 2024 durch die Ausländerbehörde Landkreis Gifhorn die Ausweisung von Ausländern angeordnet und wie viele davon sind inzwischen abgeschoben worden oder freiwillig in die Herkunftsländer zurückgekehrt?
  4. Wie viele Personen wurden in den Jahren 2019 – 2024 durch die Ausländerbehörde Landkreis Gifhorn wegen einer Verurteilung ausgewiesen und wie viele davon sind inzwischen abgeschoben worden oder freiwillig ins Herkunftsland zurückgekehrt?
  5. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2019 – bis heute Abschiebungshaft beantragt?
  6. Was behindert aus Sicht der Kreisverwaltung den Vollzug der durch die Ausweisung ausgelösten Ausreisepflicht? Warum wird nicht mehr abgeschoben?
  7. Mit welchen Maßnahmen fördert der Landkreis Gifhorn die freiwillige Rückkehr ausreisepflichtiger Ausländer und mit welchen Maßnahmen will sie die Zahlen freiwilliger Ausreisen erhöhen?
  8. Welche Planungen oder Anordnungen zur weiteren Aufnahme von Geflüchteten im Landkreis Gifhorn gibt es zum aktuellen Zeitpunkt?
  9. Besteht die Möglichkeit eines Widerspruchs der weiteren Aufnahme von Asylbewerbern durch den Kreistag oder den Landrat?
  10. Wenn nein, mit welchen Sanktionen oder Maßnahmen hätte der Landkreis bei einer Ablehnung weiterer Aufnahmen zu rechnen?

Antwort

  1. Der zurzeit gültige Nds. Rückführungserlass (RdErl. d. MI v. 7. 7. 2021 — 63–12231-1-00 — VORIS 26100 —) regelt unter Nr. 3 den absoluten Vorrang der freiwilligen Ausreise vor einer möglichen Abschiebung.

    Eine rückwirkende Aufschlüsselung anerkannter Ausländer ist nicht möglich, daher hier nun die aktuelle Ausländerstatistik der Ausländerstelle Gifhorn:

    Gesamtausländer: 17.557
    davon EU-Bürger 5.606
    davon Ukraine 1.548
    davon Aufenthaltstitel, Niederlassungserlaubnis 8.730
    davon Duldung (abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer) 392
    davon Gestattung 1.281
    JahrFreiwillige AusreisenAbschiebungenGesamt (Personen)
    2019482977
    2020421961
    2021311546
    2022751388
    20231089117
    2024 (bis Sept.)947101
    Nationalität wir gem. Rückführungserlass nicht erfasst
    • 392 Duldungsinhaber sind aktuell vollziehbar ausreisepflichtig
    • Gründe sind hauptsächlich fehlende Reisedokumente/ungeklärte Identität, fehlende Rückübernahmezusagen, befristete Reiseunfähigkeit (u. a. Krankheit, Schwangerschaft)
    Flüchtlinge stellen beim BAMF Asylanträge. Bis die Entscheidung des BAMF bestandskräftig ist, sind die Flüchtlinge im Besitz von Gestattungen. Erst nachdem eine erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist, wird eine Duldung erteilt, wenn eine Abschiebung aus bestimmten Gründen nicht möglich sein sollte. Ist eine Ausreise/Abschiebung möglich, erhält der Flüchtling lediglich eine Grenzübertrittsbescheinigung.
  2. Abschiebung: Im Rahmen einer Zwangsmaßnahme wird ein Ausländer ohne Aufenthaltsrecht zwangsweise aus dem Bundesgebiet in das entsprechende Heimatland abgeschoben. Nach erfolgter Abschiebung wird in der Regel ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt. Die Abschiebungen erfolgen in enger Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum des Landes.

    Ausweisung: Eine Ausweisung ist eine präventive Maßnahme. Eine Ausweisung ist eine rechtliche Entscheidung, durch die einem Ausländer das Aufenthaltsrecht entzogen wird, weil dieser eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, zum Beispiel durch kriminelle Handlungen. Dabei ist das Ausweisungsinteresse genau mit dem Bleibeinteresse abzuwägen. Nicht jede Straftat bedeute gleich einen Ausweisegrund (siehe §§ 54 und 55AufenthG). Beispielsweise wiegt das Ausweisungsinteresse schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben. Es handelt sich bei diesen exemplarischen Tatbeständen nur um einen Auszug und keine abschließende Aufzählung. Nach einer Ausweisung ist der betroffene Ausländer ebenfalls zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Auch hier wird nach erfolgter Ausreise/Abschiebung in der Regel ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängt.

    Insgesamt wurden in den letzten Jahren 3 Ausweisungen vorgenommen.
  3. Insgesamt 3 Ausweisungen (siehe Frage 3)
  4. 2019 6
    2020 11
    2021 9 (wg. Corona)
    2022 0 (wg. Corona und Ukraine)
    2023 1 (Umstrukturierung ABH)
    2024 6
  5. Aus den gleichen Gründen wie bei den anderen gescheiterten Abschiebungen (passive/Aktive Weigerung, keine Reisedokumente, keine Rückübernahmezusage)
  6. Einbindung der Flüchtlingssozialarbeit in die Ausreisegespräche. Seit Beginn des Jahres gehen die Sozialarbeiter gezielt auf Personen ohne Bleibeperspektive zu, um die Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise zu erläutern. Auf Grund der schweren Rahmenbedingungen bei Abschiebungen wird sich verwaltungsseits auf die freiwilligen Ausreisen konzentriert (s. Rückführungserlass unter Frage 1).

    Maßnahmen gem. der Förderrichtlinie REAG/GARP 2.0 („Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany“ und „Goverment Assisted Repatriation Programme“) bei Ausreisen in den nächsten 3 – 4 Monaten über das BAMF. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise Reise- und Transportkosten, Reisebeihilfen, Starthilfen, medizinischer Zusatzbedarf.

    Kostenübernahme für zusätzlichen Bedarf gem. § 6 AsylbLG für die Passersatzpapierbeschaffung (z.B. Reisekosten zu Botschaften, Übersetzungen, o.ä.) gem. Erlass MI vom 19.02.2019.
  7. Die Aufnahme von Geflüchteten richtet sich nach den zu den Stichtagen 01.04. und 01.10. eines jeden Jahres veröffentlichen Zuweisungsquoten des Landes Niedersachsen und begründet damit den Planungsbedarf der Neuzuweisung in den entsprechenden Verteilungszeiträumen.

    Die Unterbringung erfolgt im Rahmen des Unterbringungskonzeptes in zentralen Gemeinschaftsunterkünften und dezentralem Wohnraum. Der Landkreis ist weiterhin bestrebt zusätzlichen Wohnraum für Geflüchtete zu akquirieren.
  8. Das Nds. Aufnahmegesetz (AufnG) enthält die Regelungen für eine landesinterne Verteilung, die der Bundesgesetzgeber dem jeweiligen Land zur selbstständigen Erledigung überlassen hat. Außerdem überträgt das Nds. AufnG die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) auf die Landkreise und kreisfreien Städte im übertragenen Wirkungskreis. Es besteht somit eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten.
  9. Sofern sich eine Kommune nicht an geltendes Recht hält, kann seitens des Landes die Kommunalaufsicht eingeschaltet werden. Es könnten Maßnahmen gem. §§ 173, 174 und 175 NKomVG, z. B. die Ersatzvornahme auf Kosten des Landkreises, eingeleitet werden. Die Aufsicht wird durch das Innenministerium wahrgenommen.

    Eine Widerspruchsmöglichkeit besteht nicht.

Ich bitte um Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen
Tobias Heilmann